Thilo allein in Spanien: Auf dem GR 1 (2)

320 Kilometer in acht Tagen
Von Graus bis Olite


Vom 29. März bis 6. April war ich weiter auf dem GR 1 unterwegs – rund 320 Kilometer in acht Tagen, von Graus bis Olite. Im Schnitt etwa 40 Kilometer pro Tag. Der Rhythmus ist längst da: früh los, laufen, essen, schlafen. Die Beine funktionieren, der Kopf wird ruhiger. Einmal wurden es fast 45 Kilometer – einfach, weil es sich gut angefühlt hat.

Die Landschaft verändert sich langsam: die waldigen Mittelgebirge östlich von Graus weichen weiten Hochebenen, Wacholderfeldern, Olivenhainen. Dazwischen immer wieder verlassene Dörfer, verfallene Bauernhäuser, eine einsame Kirche. Es ist eine stille Gegend – nicht spektakulär, aber genau das wirkt. Der GR 1 zieht sich durch eine dünn besiedelte Region, die ihre Schönheit nicht ausbreitet, sondern beiläufig zeigt.

Das Wetter? Leider oft miserabel. Immer wieder stundenlanger Regen, einmal sogar Hagel. Schlammige Wege, nasse Kleidung, kalte Finger beim Packen am Morgen. In einer Nacht habe ich Glück – der alte Hirtenunterstand bietet mir Schutz, während es draußen aus Kübeln gießt. Drinnen: trocken, windstill, still. Draußen: Sturm, Regen, Wildnis.

Ich koche jeden Abend – auf dem Kocher, irgendwo im Windschatten, mit dem, was der Tag hergibt. Oft einfach: Couscous, Suppe, Pasta. Manchmal reicht’s für ein Menü del Día in einer Bar, aber meistens gibt es Brot, Käse, Nüsse, Wasser aus Brunnen oder Quellen. Einkaufen bleibt Glückssache, manchmal muss man mit dem auskommen, was man noch im Rucksack findet.

Geschlafen wird überwiegend im Zelt – unter Pinien, an alten Terrassen, zwischen verfallenen Mauern. Zwei Nächte mit Dach: eine verlassene Kirche in einem ausgestorbenen Dorf, der besagte Hirtenunterstand. Das reicht schon für einen Moment von Komfort. Ansonsten: der Wind, der Regen, die Nacht. Wenn’s trocken bleibt, schläft es sich gut.

Ich treffe kaum Menschen. Keine anderen Wanderer, nur hin und wieder ein Schäfer, eine Barfrau, jemand auf dem Feld. Die Stille beginnt irgendwann zu wirken – nicht bedrohlich, sondern klärend. Der Kopf wird leer, die Gedanken einfacher. Man läuft, schaut, isst, denkt weniger.

Am 6. April entscheide ich mich für eine Pause in Pamplona. Nach acht Tagen auf dem Weg: ein Bett, neue Socken, heißer Kaffee am Tisch. Die Stadt wirkt laut und fremd, aber sie gibt mir einen Moment zum Durchschnaufen. Viel Zeit nehme ich mir nicht – es geht bald weiter.

Denn eines ist klar: Ich bin noch nicht angekommen. Vielleicht soll ich das auch gar nicht. Vielleicht geht’s einfach immer ums Weitergehen.

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